Der
Hintergrund
Meine
Fotografien richten sich gegen vorhandene sexuelle Tabus.
Warum
gerade in der jetzigen Zeit, gegen welche Tabus denn noch, wo verstärkt
Berichte über Kinderpornographie, Mädchen- und Frauenhandel
etc. durch die Medien gehen? Wo in Talkshows, Presse und anderen
Medien (siehe in der Politik die Affäre Clinton-Lewinsky)
auch kleinste sexuelle Details oder Verhaltensweisen an die Öffentlichkeit
gezerrt werden? Wo alle beteuern, alles sei erlaubt, jeder könne
sich ausleben?Beim genauen Hinsehen erkennt man, daß der
Begriff sexuelle Freiheit" oberflächlich
und fassadenhaft ist.
Uneingeschränkt
findet nur die kommerzielle Ausbeutung der Erotik in Pornografie,
Prostitution, Stripshows, Werbung oder der Yellow-Press statt.
Selbst Illegales ist fast uneingeschränkt verfügbar (Zunahme
des Handels mit Kinderpornografie).
Die
Kommerzialisierung der Sexualität macht auch vor Problemthemen
wie Kinderpornografie, Aids, und Gewalt nicht halt. Diese werden
in den Medien marktschreierisch breitgetreten und statt sinnvoller
Aufklärung erfolgt eine Hysterisierung der Gesellschaft. Die
Einschaltqoute steht vor klarer Berichterstattung, offener Diskussion,
und sinnlicher Erfahrung.
Die
Sexualität als schönste zwischenmenschliche Begegnung,
wird
überwiegend vom Geld beherrscht. Junk-Sex ist in. Trivialität
regiert die Sexualität. Sex und Erotik haben dadurch einen faden
Beigeschmack bekommen und können in der Kultur kaum noch unvoreingenommen
verwendet und eingebunden werden.
Viele
KünstlerInnen haben Angst davor, sich mit Erotik zu beschäftigen
und diese darzustellen, weil sie befürchten, in die Schmuddelecke"
sortiert zu werden. Es bestehen auch konkrete Einschränkungen,
wie Zensur im
Fernsehen, im Kino, Angst bei den Fördergremien, bei Redakteuren
u.s.w. So ist es nicht möglich, eine tabufreie erotische Szene
in einen kulturell wertvollen Film zu bringen, ohne in den Verdacht
des schlechten Geschmacks, der Spekulation zu kommen. Der Schere
im Kopf fallen freizügige Szenen, obwohl sie dem Film gut täten,
zum Opfer, da eine einzige zu offene Szene das ganze Projekt durch
rechtliche Probleme, Zensur, schlechte internationale Vermarktungsmöglichkeit,
u.s.w. gefährdet.
Auf
der anderen Seite entstehen merkwürdige Zensurauswüchse
wie z. B. in Japan: Pornografie (sogar mit Kindern) darf gehandelt
werden, wenn nur die Genitalien und Schamhaare durch Pixelung verdeckt
sind.
Die
Pornografie ist ein großer Markt. Die Bedürfnisse des
Einzelnen diese zu konsumieren sind eigentlich legitim (Warum
auch nicht?). Pornografie
ist jedoch eindimensional, immer dasselbe: Lecken, Ficken, Blasen.
Das ist Junk-Food-Sexualität. Kreativität und Phantasie
bleiben auf der Strecke.
An
erotischer Kultur, bzw. das was man so nennen kann, gibt es kaum
etwas. Museen für erotische Kunst zeigen meist nur Oberflächliches
oder wieder nur Pornografie. Nur selten findet man Kunstwerke oder
Antiquitäten aus anderen Kulturen, die beweisen, daß Erotik
und Sexualität in Kunst und Alltag unbefangen zu integrieren
sind.
Selbstverständlich
gibt es auch sinnvolle und notwendige Verbote: Gewalt gegen Kinder
und Erwachsene.
Direkte
Gewaltdarstellungen jeglicher Art haben in den Medien zugenommen,
sind zum Massenkonsumgut geworden und die Zensur, auch gegenüber
Kindern und Jugendlichen, wird weit weniger streng gehandhabt als
im erotischen Bereich.
Beziehungen
scheitern oft aus Gründen sexueller Unzufriedenheit, die partnerschaftliche
Kommunikation über erotische Wünsche und Träume
ist eher noch spärlich und mit Hemmschwellen besetzt (Was
denkt der andere denn nur von mir, wenn ich meine Wünsche äußere?).
Die Vielzahl der Beziehungen sind von Besitzdenken, Eifersucht,
Unehrlichkeit, Sprachlosigkeit und Mißverständnissen
geprägt.
Ergebnis:
Die existierende erotische Kultur bringt uns auf Distanz, weg vom
eigentlichen Erleben &endash; wir
sind im Klischee gelandet.
Die
Utopie
Kultur
ist ein Entwicklungsprozess. Meine Utopie ist,
daß sich Erotik in der Kultur so weit entwickelt, so offen
diskutiert und so anerkannt wird wie Essen, Musik oder Freizeit.
Unvoreingenommener Gedankenaustausch fände statt. Überflüssig
wären dann heimliches Grinsen, süffisante Witze, und
unausgesprochene Gemeinheiten zwischen Männern und Frauen.
Sehen, Voyeurismus würde
Spaß machen, ohne faden Beigeschmack, wäre nichts Negatives:
schauen mit Lust und Ästhetik. Exhibitionismus, sich zeigen,
die Lust angeschaut zu werden, wäre als Vergnügen anerkannt,
nicht verborgen, oder in ein Milieu (Strip, Porno und Co) verbannt,
wo die Kommerzialisierung und die gesellschaftliche Ächtung
aus der Kultur eine Junk-Kultur machen.
Die
Bilder
Ich
versuche die ausgeklammerten Bereiche für die Kultur zurückzuerobern.
Meine Bilder von Genitalen sind
nur eine Möglichkeit, zum Nachdenken anzuregen. Auch die erotischen
Performances, weitab von Discostrip und Tabledance, die ich zusammen
mit der Gruppe ´Der
Körper´ veranstaltet,
führen aus dem üblichen heraus und zum Nachdenken und
Genießen.
Dabei
sprechen die Bilder verschiedene Ebenen an. Die ästhetische
Ebene zieht den Blick an, sie erzeugt ein positives Gefühl.
Die erotische Ebene kann, je nach BetrachterIn, erschrecken, provozieren,
sogar abstoßen, aber auch anregen. Eine Rätselebene,
da bei vielen Fotos nicht so ganz klar ist, wie sie gemacht sind
und was sie genau darstellen. Das alles ergibt eine verwirrende,
zum Nachdenken anregende Mischung.
Der
Verstoß gegen das Tabu regt an und auf.
Beim
Zeigen der Fotos (auf Ausstellungen, bei Performances) hat sich
gezeigt, daß das Konzept funktioniert, die Fotos Nachdenken
und Diskussionen auslösen.Beispiel:
ein Paar fing an, sich über intime Details und Vorlieben zu
unterhalten, die sie offensichtlich, obwohl sie schon jahrelang
zusammenleben, noch nie untereinander diskutiert hatten.
Die
Produktion
Die
Fotos entstanden in enger Zusammenarbeit mit
den Modellen, viele
Ideen, viel Kreativität ist von dieser Seite eingeflossen.
Die
Modelle sind durchweg keine Erotik- oder Model-Profis, sondern
Freunde, Bekannte, Mitbewohner. Andere wurden durch eine Anzeige
gefunden und sind zu Freunden geworden. In letzter Zeit melden
sich auch selbst viele Menschen, die fotografiert werden wollen,
da sie die Bilder gesehen haben, oder jemand Ihnen davon erzählt
hat. Es ist also nicht allzu schwer Modelle zu finden, wenn nicht
die Angst besteht in einer ´Schmuddelecke´
zu landen. Auch hier zeigt sich, daß ein breites Bedürfnis
besteht mit Erotik und Sexualität offener umzugehen, vorausgesetzt,
alles spielt sich in einem akzeptablen kulturellen Rahmen ab.
Um
die Ästhetisierung zu erreichen, wurden viele unterschiedliche
Techniken eingesetzt:
Farbiges
Licht, bemalte Körper, wobei sich die Modelle entweder selbst
oder gegenseitig bemalt haben oder ich die ´Colored People´ gestaltete.Leute
auf einer Glasplatte wurden von unten fotografiert. In einem Pool
und mit einem Spezialgehäuse für die Kamera entstanden Unterwasseraufnahmen.
Mit
Projektionen, verrückten Requisiten und vielen andere Ideen
wurde herumexperimentiert. So ist es gelungen, den pornografischen
Blick zu vermeiden und nie gesehene neue Blicke und Einblicke zu
finden.
Dabei
sind alle Effekte und Merkwürdigkeiten vor der Kamera inszeniert.
Keines der
Fotos ist mit Dunkelkammertricks
oder digitalen Bildbearbeitungsmethoden nachbearbeitet. |